Leadership: Sind Sie der limitierende Faktor?

Yep. Aber Sie können ja trotzdem weiterlesen.

Eine Binsenweisheit: Veränderungs- und andere Projekte haben nur eine Chance, wenn sie vom obersten Chef mitgetragen werden. Spätestens wenn es darum geht, Machtverhältnisse zu verschieben, sich allen-falls von gewissen Mitarbeitenden zu trennen oder signifikant Geld auszugeben, zeigt sich, wie stabil der Rückhalt ist. Und falls Sie sich mit dem Gedanken tragen, der Geschäftsleitung allfällige harte Konsequenzen erst mal zu verschweigen: tun Sie es nicht, denn Monate später ist auf die Frage „haben Sie das vorher schon gewusst?“ weder „ja“ noch „nein“ eine wirklich starke Antwort: Sie haben dann nur noch die Wahl, ob Sie sich lieber als inkompetent oder lieber als manipulativ outen wollen...

Es gibt da ein Gesetz, das ich mal so postuliere: man kommt genau so weit, wie es die Persönlichkeit des obersten Chefs zulässt – Abweichungen gibt es nur nach unten. Entspricht das Ihren Erfahrungen oder kennen Sie Ausnahmen davon?

Und deshalb ja: wenn Sie der Chef sind, sind Sie der limitierende Faktor. Sie bestimmen, ob und welche Tabus es gibt, ob es schädlich ist, Ihnen schlechte Nachrichten zu überbringen, ob Sie es zulassen, dass Ihre Leute wachsen (allenfalls sogar an Ihnen vorbei), oder ob Sie das als Bedrohung ansehen, wieviel Sie im Detail wissen und kontrollieren wollen oder zu müssen glauben, wie gross Ihre blinden Flecken sind bzw. ob Sie daran interessiert sind, sich auf sie aufmerksam machen zu lassen, wie sehr Sie sich für die soziale, ethische und ökologische Rolle Ihres Unternehmens interessieren, welchen Preis Sie wofür zu zahlen bereit sind, was Ihnen generell Zeit und Geld wert ist, wie Sie Belohnung in Ihrer Firma verteilen wollen, wie dominant Sie ihre Rolle in der Geschäftsleitung gestalten und ergo wieviel Diversität und echte Auseinandersetzung Sie zulassen – wie lange soll diese Liste werden?

Und dann gibt es andererseits die einigermassen erschütternden Forschungsdaten, die eine Korrelation von gerade mal 0,3 zwischen dem Erfolg eines Unternehmes und der Qualität des CEO nahelegen (sagt immerhin Daniel Kahneman, Psychologe und seines Zeichens Nobelpreisträger für Wirtschaft). Wenn es Ihnen genügt, Durchschnitt zu sein, brauchen Sie sich also um diesen Artikel nicht zu kümmern, oder Sie setzen einen Schimpansen als CEO ein; aber an der Spitze zählt jedes Prozent, und dann wird das plötzlich doch ziemlich signifikant.

Wenn man sich die Liste der Wirtschafts-Skandale anschaut, dann fallen immer wieder die gleichen Worte: Blindheit, Machthunger, Selbstüberschätzung, Realitätsverlust, Sucht nach Ruhm und Reichtum und so weiter. Klar gibt es auch andere Faktoren, und doch wähnt man sich immer wieder in einer klassischen Tragödie – und stellt anerkennend fest, was Sophokles, Shakespeare und die anderen alten Knaben schon alles wussten.

Und hier die steile These: Die Möglichkeiten Ihres Unternehmens steigen überproportional zum Aufwand, den Sie in die Entwicklung Ihrer eigenen Persönlichkeit und Ihre Leadership Fähigkeiten investieren. Und wenn ich hier von Investition rede, dann schiebe ich gleich die Behauptung hinterher, dass diese Investition eine Rendite hat, die nicht zu toppen ist punkto Durchschlagskraft und Nachhaltigkeit.

Je höher Sie in der Hierarchie sind, umso grösser der Effekt. Aber egal wo Ihr Platz in der Organisation ist: Sie können wesentlich beeinflussen, was in Ihrem Bereich möglich ist – Leadership ist überall in einem Unternehmen möglich. Und das ist die richtig gute Nachricht: persönliche Entwicklung lohnt sich auf allen Ebenen, beruflich und privat. Also muss es im Interesse Ihres Unternehmens sein, dass Sie ein erfülltes Leben leben. Nicht schlecht, oder? Leadership wird es danken.

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