Organisationsentwicklung – wie wärs mit Zuhören?

Bei einem Artikel im Tagesanzeiger vom 11. Oktober blieb mir doch glatt die Spucke weg. 

Eigentlich wollte ich ja diesen Artikel einfach zur Sammlung für meinen Dezember-Blog hinzufügen, wo ich traditionell zum Jahresende jeweils ein paar lustige und absurde Dinge teile, die mir in dem Jahr über den Weg gelaufen sind. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich es, je länger ich drüber nachdenke, nicht einfach nur absurd finde und lustig eigentlich gar nicht. Und deshalb kriegt das jetzt hier eine ganze Seite. 

Ich führe Sie da mal durch: Die Baloise hat einen Lachdetektor entwickelt. Der ist mit Mikrofonen ausgerüstet, die alles registrieren, was die Mitarbeitenden von sich geben, und filtert mittels künstlicher Intelligenz heraus, was davon Lacher sind. Und dann zählt das Gerät nach, ob die Leute am Arbeitsplatz genug lachen. Und wenn nicht, kriegen sie eine e-mail mit lustigen Katzenvideos und Ähnlichem. 

Nein, das ist kein Witz. Die Erfinderin wird nämlich explizit danach gefragt und verneint es. Schade eigentlich, das wäre ihre Chance gewesen, da wieder rauszukommen. Hat sie verpasst.

Dann dachte ich: «Jetzt mal schön langsam, lies erst mal aufmerksam weiter und bleibe offen, um der Sache eine Chance zu geben.» Habe ich versucht, aber es wurde nicht besser:

Da eine erwachsene Person im Schnitt etwa fünfzehn Mal pro Woche lache, sollten zwei Lacher pro Stunde drin liegen. «Alles darunter ist zu wenig», meinte die Interviewte. Mal abgesehen davon, dass sie offenbar davon ausgeht, dass sämtliche Lacher des Tages ins Büro gehören und die Familie daheim keinen Anspruch an einen Teil dieses Kontingents hat, finde ich es schon kühn, ein Leistungsziel fürs Lachen zu setzen. Denn an nichts anderes erinnert die Aussage, das Mail mit den Katzenvideos solle den Mitarbeitenden die Chance geben, «das Lachen wieder aufzuholen.». Als wäre das sowas wie ein Minus im Gleitzeitsaldo.

Gibt’s da wohl auch Sanktionen, wenn jemand das nicht schafft? Ich verzichte an dieser Stelle, die ganz schrägen Ideen auszuführen, die mir da kommen.

Die Erklärung, das Ganze sei ein Versuch, auf eine nicht langweilige Weise darauf aufmerksam zu machen, dass immer noch zu wenig über psychische Probleme gesprochen werde, macht es auch nicht besser. Wären Sie draufgekommen, dass das darauf aufmerksam machen sollte? Ich nicht.

Und dann denke ich noch an Mitarbeitende, von denen ich momentan leider zu viele treffe, denen echt nicht zum Lachen zumute ist, weil es ihnen in ihrer Firma grad wirklich wenig Spass macht. Wenn ich mir vorstelle, die kriegen jetzt ein Katzenvideo-Mail – nun, ich glaube, der Schuss geht hinten raus. Die hätten wenig Freude an Vorgesetzten, die das Zuhören an einen Lachdetektor delegieren.

Unter uns: Wenn Sie den Eindruck haben, in Ihrem Unternehmen wird zu wenig gelacht, dann finde ich es schon gut, wenn Sie das ernst zu nehmen, aber da gibt’s meines Erachtens bessere Wege als einen Lachdetektor, um plausibel zu machen, dass Ihnen das Wohl Ihrer Mitarbeitenden am Herzen liegt.

Und ich kenne keinen dieser Wege, der nicht zu tun hätte mit Dingen wie Präsenz, Dialog, Zuhören, Transparenz und mit Tatbeweisen für die guten Absichten.

Ich finde, der Fokus sollte weniger auf immer neuen fancy Gadgets, Methoden und Heilsversprechen liegen und mehr auf ganz bodenständigen Qualitäten: Seien Sie einfach präsent im Unternehmen, interessieren Sie sich dafür, was die Leute beschäftigt und was sie zu sagen haben, und integrieren Sie es in Ihre Entscheidungen.

Dann wird dann auch genug gelacht.

Wenns gut ist, macht es auch Spass.zoom