Leadership: Sein und Schein

Kürzlich in Berlin: Ich in einem schönen Hotelzimmer, alles tiptop, guter Dinge und prima. Am Morgen stelle ich fest, dass es neben den Schildchen „bitte nicht stören“ und „bitte reinigen Sie mein Zimmer“ noch ein Extraschild gibt, auf welchem steht: „mit Rücksicht auf die Umwelt brauchen Sie mein Zimmer heute nicht sauberzumachen.“

Und ich denke: „Coole Idee. Stimmt, muss ja nicht jeden Tag sein“, und will das Umweltschild gerade an meine Zimmertür hängen, als eine Reinigungsfrau vorbeigeht, mich bedauernd anschaut und dann meint: „schade“.

Ich bin verwirrt und frage sie, ob sie mein Zimmer denn so unbedingt reinigen will. Ja, will sie tatsächlich unbedingt, denn wie sich herausstellt, hat sie einen Anfahrtsweg von anderthalb Stunden und wird pro Zimmer bezahlt, das sie putzt...mit anderen Worten: mein Umweltbewusstsein wird ihr direkt vom Lohn abgezogen.

Worauf ich wiederum das Hotel nun gar nicht mehr sooo sympathisch finde, und in einen blöden Zwiespalt gerate. Was stellen die sich vor, was ich der Frau da jetzt sage? „Ja schön, Sie verdienen jetzt etwas weniger, aber das sollte Ihnen doch ein gutes Gefühl geben, dass Sie was zum Umweltschutz beitragen“? Das ist so zynisch, dass ich schon Mühe habe, das überhaupt niederzuschreiben.

Sagen tu ich’s schon gar nicht. Im Gegenteil: wenn ich nun wählen muss, ob ich etwas für die nächsten fünfhundert Jahre tue oder hier ganz konkret darauf verzichte, das niedrige Einkommen einer schlecht verdienenden Frau noch ein wenig mehr zu senken, muss ich nicht lange überlegen. Das Extraschildchen fliegt, und das grüne hänge ich fein säuberlich an meine Türe.

Die Frau ist erleichtert, bittet mich aber, ja nichts zu verraten, was mich gleich nochmals beelendet. Ich versichere ihr, dass meine Lippen verschlossen sind, ein komplizenhaftes Lächeln besiegelt unseren Pakt gegen die kapitalistische Ausbeutung, und wir gehen unserer Wege. Und ich habe ein komisches Gefühl.

Ist jetzt irgendwie blöd für die Hotelbetreiber, oder? Das mit der edelmütigen Motivation im Dienste kommender Generationen kommt jetzt hier nicht so richtig rüber, finde ich. Und die rechnen doch nicht ernsthaft damit, dass nie jemand erfährt, dass sie nicht so sehr die Umwelt, sondern vor allem ihre Geldbörse schonen wollen? Wegen der paar Euro? Nicht cool, Leute.

Wie viele nicht geputzte Zimmer müssen die einsparen, bis sie rausgeholt haben, dass ich bei ihnen keine nächste Buchung tätige?

Und wie siehts denn in Ihrem Unternehmen aus? Passt da alles zusammen zwischen Anspruch, Botschaft nach aussen, unternehmerischen Entscheiden, internen Reglementen, täglichem Handeln? Zeigt das alles in die gleiche Richtung? Oder gibt’s da Brüche und Dinge, die Ihnen etwas peinlich wären, wenn sie ans Licht kämen?

Wenn ja, tun Sie die einfach nicht. Lohnt sich nicht. Ganz bestimmt.

Was ist was?zoom