Leadership Coaching: Intelligenz genügt nicht

Vor einigen Wochen erschien ein Artikel über die Tatsache, dass hohe Intelligenz nicht davor schützt, Verschwörungstheorien zu verfallen. Das Gegenteil kann sogar der Fall sein:

  • Grosse Eloquenz hilft nicht nur dabei andere zu überzeugen, sondern auch sich selbst.
  • Wenn man schlau genug ist, findet man immer einen Weg, Aussagen so zu interpretieren, dass sie ins eigene Gedankengebäude passen.
  • Wer intelligent ist, neigt dazu, sich zu überschätzen und sich als überlegen wahrzunehmen – keine gute Voraussetzung, um sich von vermeintlichen Dummköpfen belehren zu lassen...

Alle diese „Symptome“ werden, nebenbei bemerkt, gewissen Mitarbeitenden von gewissen Vorgesetzten bekannt vorkommen...aber zurück zum Thema.

Die wissenschaftliche Evidenz legt nahe, dass sich Meinungen auf der Basis von affektiven Reaktionen bilden. Wenn die Meinungen dann mal da sind, hilft der Intellekt ungemein, sie zu untermauern und zu verteidigen. An einem gewissen Punkt setzt schliesslich die Wirkung des Verzerrungsfaktors der versunkenen Kosten ein. Der entsprechende Gedankengang lautet: „Ich habe schon so viel reingesteckt, um diese Meinung zu verteidigen, jetzt kann ich sie nicht mehr ändern.“ Emotional nachvollziehbar, sachlich natürlich Quatsch.

Bei unverrückbaren Meinungen ist es also komplette Zeitverschwendung, intellektuelle Argumente zu suchen – das erleben wir ja momentan zur Genüge. Wenn irgendetwas eine Chance hat, dann sind es emotionale Erfahrungen, die die Kraft haben, gut stabilisierte Strukturen zu erschüttern.

Zugegeben, die Chancen sind auch da nicht rosig, aber wenn Sie im Lotto gewinnen wollen, spielen Sie ja auch nicht Halma.

Einmal mehr zeigt sich: das in der Wirtschaftswelt so verbreitete Mantra „lasst uns rational sein“ greift zu kurz. Affektive Aspekte von Meinungsbildung und Entscheidung krampfhaft auszublenden, hat verheerende Folgen: die ziehen sich dann einfach in den Untergrund zurück und wirken von dort aus guerillamässig, und zwar mit unverminderter Stärke. Und Guerilla-Kriege sind ein Alptraum: Sie wissen nie, wann Sie etwas unvermittelt trifft, das Sie nicht mal haben kommen sehen.

Das Gegenteil bringt viel mehr: ganz besonders aufmerksam zu sein auf die eigenen affektiven Reaktionen. Das kann man lernen und üben, zum Beispiel im Rahmen von gutem Leadership Coaching. Nur dann haben Sie die Chance, sie differenziert wahrzunehmen, einen Fuss in den Spalt zwischen Affekt und Handlung zu halten und zu prüfen, was diese affektive Reaktion über das Thema sagt, und was sie über Sie sagt. Typischerweise sind beide Anteile vertreten: mit steigender Erfahrung in einem Gebiet sedimentiert diese Erfahrung in den intuitiven Grund und transportiert von dort aus äusserst nützliches implizites Wissen. Wenn Sie also lernen, das eine vom anderen zu unterscheiden, können Sie auf Gold stossen.

In der (inflationären) Diskussion um Komplexität und geeignete Arbeits- und Entscheidungsformen in komplexen Umfeldern ist man sich ja einig, dass es chancenlos ist, Komplexität analytisch durchdringen zu wollen. Über den Kanal dieser Einsicht tröpfeln langsam intuitive, analoge und sogar künstlerische Ansätze von Problemerfassung und Entscheidungsfindung in die Methodensammlung von Führungskräften.

Gut so.

Hirn einschalten? Ja doch. Dem Bauchgefühl zuhören? Unbedingt, und zwar am besten, bevor der Autopilot übernimmt.

wachsam bleiben...zoom