Die letzten Monate haben viele gezwungen, sich mit Dingen abzufinden, die sie nicht gesucht haben, und wir alle mussten einen Umgang mit dieser besonderen Situation finden.
Eine wichtige Zutat, damit das gelingt, ist Akzeptanz – die Akzeptanz dessen, was ist und was man nicht verändern kann. Psychologisch befreit Akzeptanz Kräfte, die vorher gebunden waren durch Kämpfen gegen das Unveränderbare, durch Wut, durch Trauer, und macht Platz für die Suche nach gangbaren Lösungen. Darin entfaltet sich ein Paradox: die Akzeptanz der Einschränkung vergrössert die innere Freiheit.
Dieses Konzept taucht in verschiedenen Kontexten immer wieder ähnlich auf: In der Psychotherapie, in der Achtsamkeit, oder auch im Gelassenheitsgebet, wie es die Anonymen Alkoholiker pflegen, das da heisst: «Gott, gib mir den Mut, zu verändern, was ich verändern kann. Gib mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was ich nicht verändern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.»
Obwohl gerade Achtsamkeit auch im Businesskontext zaghaften Einzug gehalten hat, redet dabei kaum jemand von Akzeptanz, bloss von Stressreduktion. Was allerdings noch viel weniger diskutiert wird – nämlich gar nicht – ist Akzeptanz im Zusammenhang mit Leadership.
Auf den ersten Blick ist das auch nicht verwunderlich, denn der generische Auftrag an eine Führungskraft lautet ja nicht, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind, sondern Dinge zu verändern. Ein Manager, der wie ein Buddha auf seinem Stuhl sitzt, verklärt dem Treiben der Welt zuschaut und auf die immer dringlicheren Appelle seiner Mitarbeitenden, doch bitte endlich etwas zu tun, nur ein entrücktes Lächeln zeigt? Passt nicht, funktioniert nicht.
Natürlich gehört es zu Leadership, Dinge zu verändern und in Bewegung zu bringen. Aber es gibt eine Tendenz, dabei zu verkrampfen. Dann wird diese Aufgabe als Kampf deklariert und in Worte gekleidet, die dem Vokabular der Kriegsführung entnommen sind («Sun Tsu für Manager» und Ähnliches). Das ist vor allem anstrengend und nicht sehr effektiv, zumindest auf lange Sicht.
Akzeptanz kann da helfen. Akzeptanz schliesst nicht aus, gleichzeitig einen hohen Ehrgeiz zu haben und Dinge aus diesem Ehrgeiz heraus verändern und entwickeln zu wollen. Sie hilft aber, den Bogen nicht zu überspannen. Wenn Sie sich vor Augen führen, wie viel Energie damit verschwendet wird, gegen Dinge anzukämpfen, die nun mal sind, wie sie sind – die Zeit, finanzielle Möglichkeiten, eigene Grenzen, Eigenschaften anderer Menschen, Unkontrollierbarkeit komplexer Systeme, unliebsame Fakten usw. –, dann wird klar, welches Potential hier bereit liegt.
Wer die Qualität der Akzeptanz pflegt, kann die paradoxe Erfahrung machen, dass sich Konflikte oft einfach auflösen, wenn man aufhört zu kämpfen. Viele Leute getrauen sich das nicht, aus Angst, sie würden überrollt, wenn sie aufhören gegen Dinge anzukämpfen. Das Gegenteil ist der Fall.
Wo führt das hin? Es führt zu gelassenem Engagement. Einer meiner Lieblingsausdrücke. Die weise Unterscheidung zwischen dem, was verändert werden kann und dem, was zu akzeptieren ist, katapultiert Leadership in eine andere Liga. Gelassenes Engagement bündelt Kräfte dort, wo sie am meisten Wirkung erzielen, ermöglicht Entschlossenheit ohne Aggression, öffnet den Blick auch für unliebsame Fakten und damit für bessere Entscheidungen und schont erst noch die Nerven.
Klar ist es okay, auch mal unternehmerisch und disruptiv zu hinterfragen, ob vermeintlich Unveränderbares nicht doch veränderbar ist. Innovation lebt unter anderem davon. Damit das aber in einer gesunden Balance bleibt, braucht es die Integration von Leadership und Akzeptanz.
So steigen die Chancen auf nachhaltige Unternehmensentwicklung. Und die werden wir brauchen.