Kanterniederlage für Leadership

Im August habe ich meine neue Plattform „True Leadership“ lanciert. Mein Antrieb dafür lag in der Wahrnehmung, dass es insgesamt an nichts so mangelt wie an True Leadership, und dass das umso dramatischer ist, als es der Schlüsselfaktor sein wird, um die Herausforderungen zu meistern, die uns bevorstehen. Und dann das:

„Das denkt Ihr Chef“ war der Titel eines Artikels in der Sonntagszeitung vom 20. August 2017: vier Führungskräfte sagen, wie sie ihre Mitarbeitenden sehen. Wenn man das liest, könnte man wirklich dantesk werden: „Lasciate ogni speranza...“.

Was sollte eigentlich dieser Artikel? In der Einleitung hiess es sinngemäss: „alle klagen über die Arbeitswelt und besonders über die Chefs. Die kommen aber nie zu Wort. Heute fragen wir die mal.“ Zu diesem Zeitpunkt konnte man noch auf einen positiven Kontrapunkt zu den allgemeinen Klagen hoffen.

Aber nicht lange. Au Backe...

Ich habe einfach mal primitiv die negativen und positiven Aussagen ausgezählt. Das Resultat: 22 zu 1 zu Gunsten von...Sie wissen schon. Mit sehr, sehr viel Grosszügigkeit könnte man 22 zu 4 zählen. Aber egal wie man es dreht und wendet: es resultiert eine Kanterniederlage für alles, wovon man weiss, dass es positive Effekte hat, Kräfte mobilisiert, Motivation und Leistungsfähigkeit steigert usw. Selbst die Aussage, die ich ursprünglich als einzige positiv gewertet hatte, kam mit einem Vorbehalt: „Obschon ich meinen Job mit grosser Freude mache...“. Euphorie klingt anders.

Zusammenfassend habe ich verstanden: „Ihr beklagt euch ständig über die miesen, geldgierigen Chefs. Wisst ihr was? Die denken über euch keinen Deut besser, Ihr ansprüchlichen, undankbaren...“

Ich weiss nicht wie es Ihnen geht; ich brauche ein Stück Traubenzucker, nachdem ich das gelesen habe. Mal ganz abgesehen davon, dass viele Führungskräfte das keinesfalls unterschreiben würden.

Sind diese Aussagen repräsentativ? Weiss ich nicht. Ich hoffe nicht. Ich weiss, dass es Gegenbeispiele gibt. Aber vielleicht sind das ja nur zwei Prozent, und dann ist bei vier Gesprächspartnern ein Verhältnis von vier zu null im Proporzverfahren die beste Annäherung an ausgewogenen Journalismus... Aber das kann es doch nicht sein, oder?

Irgendwann kommt das Argument mit den strukturellen Gründen: die Vorgesetzten würden schon wollen, aber die Strukturen lassen es nicht zu. Liebe Führungskräfte: dann ändert sie. Ja, das geht. Mit Strukturen kann man nicht reden. Aber mit Führungskräften, die die Gestaltungsmacht haben, Strukturen zu verändern. Und wo landen wir dann wieder? Bei diversen Facetten von Leadership.

In Zukunft gehören CEO’s abgesetzt, die zulassen oder sogar aktiv fördern, dass sich eine Kultur entwickelt, die eine gesamte Organisation in den Faultiermodus versetzt oder in akute Atemnot, Menschen und Geld verbrennt ohne Ende und ganz allgemein das künftige Bestehen des Unternehmens gefährdet. Herr Kalanick war da ein guter Anfang, um es mal laut zu sagen.

Was in dramatischer Weise zu wenig Raum einnimmt im Alltag, sind Dinge wie grosse Ideen, Inspiration, gemeinsame Ziele, intrinsische Motivation, Entfaltung von Potentialen. Manche sehen darin naive Träumereien. Die anderen machen Quantensprünge.

Mein Tipp: gehen Sie in die zweite Gruppe. Momentan sind Sie da noch in der Minderheit und können das Terrain abräumen, mit der fantastischen Chance, den Rest des Feldes um Meilen zu distanzieren. Eigentlich fahrlässig, diese Chance vorbeiziehen zu lassen.

Leadership: sehen Sie Weite oder Enge?zoom