Die Ideenlisten, wenn es darum geht, die Leistung einer Organisation zu verbessern, sind oft erschreckend einseitig. Meist bedienen sie sich des Mottos „schneller, höher, weiter“, und daraus resultieren Programme mit Themen wie „Erhöhung der Produktivität“, „Streamlining der Prozesse“, „Synergien finden“ usw.
Olympisches Management: schneller, höher, weiter. Im schlimmsten Fall trifft dabei ein von dieser Perspektive euphorisiertes Management auf zunehmend ermüdete Mitarbeitende. Eigentlich könnte man an diesem Punkt aufhören, aber Aufhören ist nicht olympisch, also wird das durchgezogen – der Beginn mancher mühevoller Geschichte über Organisationsentwicklung, und wenn der Arbeitsspeicher nicht mehr genügt, wird’s halt sehr zäh...
Dabei geht es in neun von zehn Fällen gar nicht darum, mehr Gas zu geben: Es geht darum, weniger zu bremsen. Das Ausmass, in dem Individuen und Organisationen sich selbst und gegenseitig im Weg stehen, kann gar nicht überschätzt werden.
Die Menschen haben in der Regel eine recht gute Vorstellung davon, was im operativen Alltag funktioniert und was nicht. Es mangelt ihnen auch nicht an Ideen, und auch nicht an gutem Willen, den man ganz einfach nutzen sollte für die Organisationsentwicklung. Allzu oft stehen ganz einfach zu viele Hindernisse im Weg, und die basieren zum grossen Teil auf Arbeitsbeziehungen und Strukturen, die die Zusammenarbeit erschweren statt erleichtern.
In solchen Umfeldern entwickeln sich Trugbilder, Irritationen und Konflikte, bis hin zu Extremformen, bei denen sich scheinbar gegnerische Gruppen in grabenkriegerischen Manövern aufreiben, anstatt ihre verschiedenen Perspektiven für ein integriertes Verständnis ihrer Gesamtsituation zu nutzen – eine Organisation im kalten Bürgerkrieg, sozusagen.
Erst mal geht es also darum, von der Bremse zu gehen. Wie wärs denn mal mit einem Programm, das nicht „Ikarus“ oder „Leopard“ oder „Superman“ heisst, sondern zum Beispiel „Aufhören mit Blödsinn“? Das würde Raum schaffen für die Frage, was man denn stattdessen tun sollte.
Die Zutaten stehen schon lange bereit, und manchmal ist es beelendend zu sehen, wie sie vor sich hin schimmeln. Man stelle sich vor: eine raffinierte mise-en-place, aber der Koch lässt sie links liegen und grillt weiter Buletten. Schade eigentlich, oder?
Eigentlich sind wir in weiten Gebieten noch immer im Modus des „mehr Desselben“. Das hat sich zwar ein bisschen verkleidet als „Dasselbe, bloss raffinierter“ (Big Data, Bigger Data, Neuro, mehr Neuro), das nützt aber nichts, wenn die bremsenden Grundmuster die gleichen bleiben: kontrollieren, berechnen, reglementieren, einschränken usw. Wir versuchen, Systeme zu zähmen, anstatt mit ihnen zu tanzen. Letzteres wäre die wirksamere Organisationsentwicklung.
Was fehlt? Eigentlich simple Dinge: massiv mehr Dialog quer durch die Organisation, Strategie- und Entscheidungsfindung in divers zusammengesetzten Gruppen als Mikrokosmos des Systems, Erweitern der Autonomiezone jedes Einzelnen, dezentralisierte Vernetzung. Die können ja immer noch Anträge ans Management stellen, oder das Management gleich einbeziehen, wenn es wichtig ist. Man muss ja nicht gleich die Hierarchie abschaffen. Das ist eh bloss die nächste Heilslehre, aber davon ein ander Mal.
Vielleicht wärs also was, mal einen Versuch mit Management by Go-Kart zu machen: wenn du schneller werden willst, geh von der Bremse.
Aufhören sollte olympisch werden.