Leadership Coaching: Die Liebe in Zeiten der Sehnsucht

In den letzten Jahren kam der Eurovision Song Contest ja eher wie ein Casting für die nächste Folge von „Alien“ daher: HR-Giger-Figuren, die mit hundert Dezibel Todesgeröchel gegen die Schalllawine einer komplett ausser Kontrolle geratenen Hardrockgitarren-Armada anschrien. Man war geneigt, Ihnen aus purer Eingeschüchtertheit Punkte zu geben.

Aber die Zeiten ändern sich. Das diesjährige Gewinnerlied? Ein leises, zartes, musikalisch anspruchsvolles Liebeslied, vorgetragen von Salvador Sobral, von dem man dein Eindruck hatte, er würde sich jeden Moment in ein ätherisches Lüftchen auflösen und davongeweht werden, und der das Lied so behutsam sang, als könnte es unter seiner Stimme zerbrechen.

Ja, ich halte das für relevant. Man sollte auf schwache Signale achtgeben, gerade wenn man unternehmerisch und strategisch unterwegs ist. Und besonders interessant wird es, wenn ähnliche schwache Signale in verschiedenen Feldern wahrnehmbar sind, und das sind sie, in Kunst, Politik und Wirtschaft:

Achtsamkeit hält Einzug in die Unternehmenswelt und in Leadership Coaching: vorerst noch oft zum Tool degradiert oder mit viel Exotik gewürzt, was es dann garantiert säuberlich trennt vom Alltagsleben...Aber es ist eine Öffnung festzustellen für die eigentliche Substanz, zu der sie die Türe öffnen kann – und die hat viel zu tun mit einem wohlwollenden Zugang zu sich selbst, zu anderen, und letztlich überhaupt zu Allem.

Der Überdruss gegenüber dem Modus, in dem viele Organisationen (noch) funktionieren, ist gewaltig und zeigt sich in einem dramatisch hohen Anteil an resignativ zufriedenen Mitarbeitenden und in der stetig steigenden Burnoutrate (die Therapeuten sind hoffnungslos ausgebucht und müssen bald selber aufpassen...). Es herrscht eine grosse Sehnsucht nach Sinn, Wertschätzung und integrer Führung.

A Propos: vor zwei Monaten habe ich unter der Leitfrage, was man sich eigentlich erlauben kann, Eric Olsen als Beispiel angeführt. Die erwähnte Leitfrage hat sich für ihn unterdessen beantwortet: irgendwann ist es dann offenbar doch genug. Fanden zwar auch nicht alle im Verwaltungsrat, aber die siegreiche Fraktion war die langfristig denkende – eine gute Nachricht, finde ich. Nebenbei bemerkt: langfristiges Denken sollte doch eigentlich zum Basis-Anforderungsprofil von Verwaltungsräten gehören, oder?

Es sind Zeiten der Sehnsucht, und diese Sehnsucht betrifft letztlich Qualitäten aus der Gattung der Liebe, auch wenn dieses Wort exotisch erscheint im Business-Kontext. Sekten und extremistische Gruppierungen haben das schon lange begriffen und missbrauchen diese Sehnsucht manipulativ. Es ist ein grosser Fehler, diese Dimension solchen Gruppierungen zu überlassen. Hätten Wirtschaft und Politik dieser Sehnsucht mehr zu bieten, hätten die Dumpfbacken automatisch weniger Zulauf. Macron in Frankreich oder, zugegeben für kurze Zeit, die SPD in Deutschland, haben gezeigt, wie rechtsextreme Parteien plötzlich zusammenfallen wie ein Soufflé, sobald es eine Alternative zur Alternative gibt.

Wir brauchen also Qualitäten aus der Gattung der Liebe, und selbstverständlich entspringen sie alle letztlich einer gemeinsamen Quelle, und die ist das wahre ganz grosse Ding: die Liebe als urmenschliche und spirituelle Gestaltungsmacht, die letztlich auch die grössten Gegensätze überbrückt. Keine Angst, ich verwandle mich nicht in ein ätherisches Lüftchen. Ich sehe bloss nicht ein, was dabei sein soll, diese Quelle zu benennen. Für Unternehmen, ihre Mitarbeitenden und die Gesellschaft kann sie eine Goldgrube sein.

Und Schritt für Schritt findet sie auch den Weg auf die grosse Bühne. Erinnern Sie sich an die Siegesrede von Emmanuel Macron? Sie endete mit: „...et enfin, mes amis: je vous servirais avec amour.“

Das Potential ist riesig. Mein schwaches Signal dazu gibt’s im Detail zum Lesen. Setzen Sie auch eines.

Wer hat mich gern?zoom