Leadership: Was kann man sich eigentlich erlauben?

In Bezug auf diese Frage erleben wir ja eine wahrhaft disruptive Neudefinition. Und ja, ich empöre mich: Da haben wir also einen sexistischen Egomanen auf dem emotionalen Entwicklungsstand eines Dreijährigen, und der trumpelt nun durchs weisse Haus. Dass er gewisse Ähnlichkeit mit einem Orang-Utan hat, kann man ihm nicht vorwerfen – schade nur, dass er nicht über dessen Sozialkompetenz verfügt.

Darf ich mir solche Sätze erlauben? Ist das statthaft? Und kümmert das jemanden?

The Donald hat kurzerhand die Wirtschaftsprognosen sämtlicher Experten um den Faktor zwei korrigiert, und angeordnet, das Budget auf Basis dieser einzig wahren, weil seiner, Zahlen zu gestalten. War da nicht was mit Konkursen in seiner Geschäftsbiografie? Nun, jetzt fühlt er sich offenbar zu Grösserem berufen: ein paar Firmen gegen die Wand fahren, das kann jeder. Wie wärs denn mit den vereinigten Staaten von Amerika? Wer ist schon Bernie Madoff?

Sonst noch was? Er hat die Arbeit der Presse behindert, Journalisten als „unterste Gattung Mensch“ (!) und „Feinde des Volkes“ bezeichnet. Er hat vor, eine Menge wundervoller Atombomben zu bauen, offenbar in völliger Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass es egal ist, ob man den Planeten fünfzig oder hundert Mal in die Luft jagen kann. Man kann nur hoffen, dass das nichts zu tun hat mit „we have to start winning wars again“...Faktenchecks ergeben, dass zwei Drittel seiner Aussagen teilweise oder völlig falsch sind.

Der kann sich das einfach erlauben. Schon blöd, dass er US-Präsident ist. Das macht es schwierig, sich ihm gegenüber zu positionieren, schliesslich gilt es, äusserst diverse Interessen zu wahren. Ein echter Test, den im Moment gerade ein paar Leute nicht bestehen:

LafargeHolcim will die Mauer zu Mexico mitbauen. Darauf angesprochen, schlängelt sich Herr Olsen wie folgt: „Das ist eine Entscheidung der Regierung; wir sind ein Partner dieser Regierung...Wir würden alle Infrastuktur-Projekte beliefern...“. Die Kommunikationsparole lautete wohl „don’t mention the wall...“. Nicht mal eine Andeutung, dass es da berechtigte Einwände geben könnte. Als Gipfel des Zynismus bietet sogar ein mexikanischer Zementkonzern mit. „Wir haben das nicht entschieden, wir liefern ja nur den Zement.“ I’m not impressed. Na ja doch, schon, aber ich könnte verzichten.

Manche finden, es sei naiv, sich darüber zu empören. Da frage ich, was für Zustände herrschen, wenn diejenigen, die sich darüber empören, auch noch abgewertet werden. Wir erleben gerade die absolute Antithese zu Leadership. Eins jedenfalls zeigt sich gerade sehr deutlich: Was ein Bekenntnis zu Ethik Wert ist, zeigt sich erst, wenn es darum geht, aus Gründen der Integrität auf einen Teil des möglichen Profites zu verzichten.

Viele haben den Ausgang der Präsidentenwahl damit erklärt, dass die Frustration über den Status Quo so gross gewesen sei, dass es den Menschen schlussendlich egal war, wer kommt: Hauptsache anders. Das könnte auch Unternehmen blühen, die sich nicht um Anstand und Integrität kümmern. Was, wenn sich Arbeitnehmer und Stakeholder abwenden? Was passiert, wenn die Leute zu allem bereit sind, wenn es bloss nicht mehr der Status Quo ist? Ich habe keine Ahnung, aber ich glaube nicht, dass es lustig wird.

Daten sind das Gold der Zukunft, heisst es. Ich gehe jede Wette ein, dass es mindestens noch eine zweite Goldader gibt: Integrität und ein intakter moralischer Kompass von Führungscrews, Leadership verbunden mit der Chuzpe, öffentlich die entsprechenden Konsequenzen zu vertreten und sie im Zweifelsfall höher zu gewichten als persönlichen oder betrieblichen Profit.

Wetten, dass es eigentlich das ist, worauf alle warten? Es stand bloss noch nicht zur Auswahl. Was uns momentan auf breiter Front zugemutet wird, ist nur ein Übergangsstadium. Langfristig wird gewinnen, wer sich das Vertrauen der Gesellschaft verdient, ob Politiker oder Unternehmer. Jede Wette.

find a wayzoom