Leadership: Sommer in Absurdistan

Saure-Gurken-Zeit? Na, immerhin kommen die sauren Gurken auch mal zu ein bisschen Publicity, und das gibt durchaus was her:

François Hollande erlebt ein Coiffeur-Gate: offenbar beschäftigt er einen Hof-Figaro ganz exklusiv für ihn alleine, und der bekommt pro Monat über zehntausend Euro. Darauf angesprochen, heisst es aus dem Elisée-Palast, der müsse ja auch jeden Tag sehr früh aufstehen, um zum Kamm zu greifen. Mag ja sein, und von mir aus soll er doch das Geld verdienen, bloss würde man sich doch bei dem Lohn etwas wenigstens milde Spektakuläres auf dem Staatsober-Haupt wünschen, oder nicht? Go wild, François!

UBS-Chef Sergio Ermotti lanciert in der Sonntagszeitung vom 10. Juli eine kühne Lageeinschätzung: „Die heutige Lage hat eine andere Dimension als die Finanzkrise, eine systemische Dimension.“ Dass einer der höchsten Bankenführer impliziert, die Schwierigkeiten seiner Branche hätten keine systemische Dimension, gibt Anlass zu echter Sorge: da wird sich wohl nicht viel ändern in nächster Zeit.

Klugschreiber Peter Schneider nimmt am 15. Juli die Gelegenheit wahr, seine Leser öffentlich abzuwerten, zumal die, die ihn zu kritisieren wagen: „Lernt erst mal gründlich lesen, bevor Ihr wieder Textbausteine der Empörung fabriziert...“ – ist das nun philosophischer oder psychoanalytischer Hochmut? (Ich gebe zu, er kann auch lustig sein, aber irgendwann nützt das dann auch nichts mehr).

Martin Scholl, ZKB Konzernchef, liefert sich ein hartes Rennen mit seinem Amtskollegen und wartet im Tagi vom 23. Juli mit einer Aufsehen erregenden Erkenntnis auf: „Wir haben schon bei der Einführung der Negativzinsen gemerkt, dass selbst Anlageprofis völlig irrationale Entscheide treffen.“ Bei allem Respekt, aber das haben ganz viele Leute schon vor ganz vielen Jahren gemerkt (ich erinnere an die Affen mit den Dartpfeilen...).

Und dann natürlich: The Donald! Er feuert aus allen Rohren, und man kriegt den Mund fast nicht mehr zu, und es ist noch nicht mal gesagt, dass er verliert. Da fehlen mir die Worte.

Warum ist das alles relevant, und gar nicht nur lustig? Weil das Variationen eines Cocktails sind, gemixt aus einer Handvoll Zutaten in wechselnden Kombinationen und in unterschiedlicher Konzentration: Hochmut, Egozentrik, Geringschätzung, Ignorieren von Basiswissen oder Gleichgültigkeit. Das sind langsam wirkende Gifte, deren Effekte lange unter dem Deckel bleiben und dann unter Umständen nicht mehr beherrschbar sind, wenn sie manifest werden. Und wenn man auf der politischen Bühne beobachtet, wie immer mehr demokratische Prozesse von Proteststimmen geprägt werden, könnte es sein, dass sich diese Wirkung gerade entfaltet, und es bleibt nur zu hoffen, dass das nicht erst der Anfang ist.

Es genügt einfach nicht mehr, erfolgreich zu sein oder gute Zahlen zu liefern. Es wird immer wichtiger, welche Botschaften man sendet, insbesondere ob man sich für andere Leute und für Offensichtliches interessiert oder nicht. Wenn die Menschen in Machtpositionen keine Umsicht und Integrität ausstrahlen und sie durch Tatbeweise untermauern, wird ihre Macht immer weniger als legitmiert wahrgenommen, und dann wird der psychologische Vertrag zwischen den Mächtigen und denen, die sie führen sollen, brüchig, und vieles geht den Bach runter, unter anderem auch der Kern von Leadership.

Ein paar saure Gurken, und schon werde ich zum Schwarzmaler? Das nicht. Trotzdem glaube ich, dass Sie in einer Führungsposition – und nicht nur dort – gut daran tun, Dinge und Menschen um sich zu haben, die Sie erden, und sich um Ihre Leadership Fähigkeiten zu kümmern. Kürzlich wurde ich nach Mitgefühl in Organisationen gefragt. Das sind Dimensionen, die Menschen bewegen, und solche Dimensionen gilt es in Zukunft zu integrieren.

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