Das Rennen um das Wort des Jahres dürfte gelaufen sein, für „Schwexit“ tippe ich auf den zweiten Platz. Brexit passt in eine Zeit, in der die Zeichen auf Umbruch stehen und Worte wie Disruption, sich-neu-erfinden und Zeitenwende die Runde machen. Die Börsenhändler haben bloss gemacht, was sie meistens tun, nämlich sich verschätzen, an dieser Front also nichts Neues.
Was wird am häufigsten genannt bei den Versuchen, zu erklären, wie das kommen konnte? Die Entfremdung der politischen Elite vom Volk, das an der Bevölkerung Vorbeiregieren, die Frustration der Menschen über wachsende Ungleichheit und Machtlosigkeit, ein tief sitzender Widerwille gegen die herrschenden Eliten, die vor allem ihre eigenen Agenden zu verfolgen scheinen.
Den Widerwillen kann man den Leuten nicht verdenken, wenn sämtliche Hauptakteure nach der Abstimmung das Schiff verlassen, und Nigel Farage dabei kommunikativ den Vogel abschiesst, in dem er mitten in der Unsicherheit und dem Führungsvakuum verkündet, nun habe er sein politisches Ziel erreicht und könne gehen. Als zwanzigjähriger Brite würde ich ihm das schon übel nehmen, ehrlich gesagt. „Nach mir die Sintflut“ scheint ein salonfähiges Motto zu sein, besonders, wenn man den Salon verlässt...
Und wie siehts bei den Managern aus? Viele scheinen nicht der Ansicht zu sein, dass sie dieses Malaise in erheblichen Teilen der Bevölkerung sehr viel angeht. Zwei Indizien aus der Presse der letzten Wochen:
Das Swiss International Finance Forum, kurz SIFF (Tatsache, ich zitiere nur...), hat sich als offizielles Zukunftsmotto „Back to Growth“ gesetzt. Also das ist mal wirklich kreativ: ein Zukunftsmotto, das mit den Worten „back to“ beginnt...klingt wie Back to the Future, Teil fünf. Wie wärs mal mit ein paar Gedanken dazu, wie wir weiter kommen anstatt wieder zurück? Ist das die gängige Vorstellung von Disruption??
Gemäss Tagesanzeiger interessieren sich die 450 Manager, die sich kürzlich zwecks Inspiration am IMD aufgehalten haben, angesichts des Brexit vor allem dafür, wie sie trotzdem auf der Profitstrasse bleiben, auch wenn sie vorher Kofi Annan, der dazu mahnte, nicht nur wirtschaftlich zu argumentieren, brav eine standing Ovation geschenkt hatten, nach dem Motto „tolle Rede, jetzt aber zurück zum Wesentlichen!“.
Kofi Annan als Maskottchen – wo sind wir da hingeraten?
Aber was, wenn die Verdrossenheit gegenüber den Leuten, die am Ruder sind, nicht nur die Politik betrifft, sondern auch die Wirtschaft? Das ist, unter uns gesagt, nicht gerade unwahrscheinlich. Was, wenn es intern brodelt und wir vor ähnlichen Verwerfungen stehen, weil immer mehr gute Leute ihren ganz eigenen Exit planen, weil sie nicht den Eindruck haben, dass sich irgendwer für sie interessiert? Oder andere, vor allem sehr junge Hochqualifizierte, gar nicht erst reinwollen, weil sie keine Spur von wahrer Leadership sehen?
Die Entfremdung ist vielleicht eines der grössten korrosiven Risiken für Unternehmen – ein Mangel an dem, was ich die Qualität der Verbundenheit nenne. Dabei ist es ganz einfach: was nicht miteinander verbunden ist, zerfällt, und es könnte sein, dass das Gebälk unserer Häuser bedeutend morscher ist, als uns lieb ist. Anzeichen dafür gibt es.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind immer auch für Unternehmen relevant, ganz einfach weil die Menschen, die dort arbeiten, Teil der Gesellschaft sind. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Unternehmen zum Dinosaurier wird, sollten Sie etwas in die Evolution investieren – und das bedeutet auch stark, in Leadership zu investieren.
Wie gut sind Ihre Informationen über das Ausmass der Einsturzgefahr in Ihrem Haus? Wie stark müssen die Signale sein, um etwas zu unternehmen? Diese Fragen sollten Sie interessieren.