Leadership: Ein Herz für Zyniker

Sie sind in keiner Organisation beliebt: Zyniker und „Abgelöschte“. Sie winken ab bei jedem optimistisch formulierten Satz, besonders wenn er vom Management kommt, sehen oft gar keine Suppe mehr, nur noch Haare, und ihr Zynismus hat die wenig appetitlichen Eigenschaften von Magensaft: fliesst in jede Ritze und zersetzt alles...

Dummerweise behalten sie ihren Zynismus meist nicht für sich, sondern nutzen passende und unpassende Gelegenheiten, um ihn kundzutun, was die Stimmung nachhaltig beeinflusst: Das Verhalten von Zynikern kann sehr rasch in kollektiver Depression münden – in etwa so effizient, wie Tullius Destructivus in „Streit um Asterix“ Zwietracht säht.

Man sollte nicht übersehen, dass es Tragödien sind, die sich dabei abspielen, denn als Faustregel gilt: Zyniker sind ehemalige Idealisten. Fast alle Zyniker sind Menschen, die einmal erfüllt waren von Idealen und Erfahrungen gemacht haben, die sie zutiefst verletzt und enttäuscht haben; sie verzweifeln an einer Welt, in der sie es als gegeben sehen, dass Werte und Moral höchstens eine untergeordnete Rolle spielen.

Was sagt der toughe Vorgesetzte? „Ist mir egal, was der für eine Kindheit hatte, er soll aufhören zu lästern!“ Sagt er – bloss oft nicht zum Betreffenden selbst, oder dann spielt sich eine Routine ein, die das Schrecken im Gleichgewicht hält: Ermahnungen oder Verwarnungen, denen Perioden von vorübergehender Entspannung folgen, bis sich die nächste Gelegenheit für eine Ermahnung ergibt...Leadership geht anders.

Das Tragischste an diesen Tragödien entsteht, wenn niemand dazu beiträgt, die Lage zu ändern, und das ist leider allzu oft der Fall, auch weil die Situation für alle Beteiligten eine Entlastung bereithält: Vorgesetzte haben eine Begründung für nicht erreichte Ziele („der hat es ja auch nicht einfach mit diesem Team...“), die Zyniker eine für die eigenen Grenzen („ich könnte schon, aber in dem Klima...“), und alle rundherum – oberes Management, HR, Sozialberatung und Angestelltenrat – sind beschäftigt und ergo legitimiert.

War das jetzt auch schon zynisch? Ist schon hoch ansteckend...was allerdings zu sagen ist: destruktives Verhalten kann nicht lange geduldet werden, denn egal, was man erlebt hat: die eigene Reaktion darauf liegt in der eigenen Verantwortung, und als Vorgesetzter ist es im Kontext von vertraglichen Pflichten legitim zu verlangen, dass man für sich andere Lösungen sucht als destruktive. Wenn sich da kein Ausweg findet, sollte man den Mut aufbringen, sich zu trennen. Vorher aber gehen Sie in sich und prüfen Sie, ob Sie sich nicht selbst im Weg stehen. Zwei Szenarien, in denen man sich nicht gern erkennt:

  • Als Führungskraft: man sorgt strukturell dafür, dass Zynismus einen idealen Nährboden hat, und wenn die Leute dann so weit sind, schmeisst man sie raus, weil sie destruktiv sind...
  • Als Zyniker: man wertet sein Unternehmen und seine Vorgesetzten offen ab, provoziert damit Sanktionen und wirft der Firma dann vor, dass sie einen unterdrückt...

Bloss: wenn Sie das jemandem so hinknallen, wird das Problem nur schlimmer, mal abgesehen von der grundsätzlichen Problematik von Interpretationen. Der Ausweg liegt darin, die Keulen wegzulegen und sich die Chance zu geben, mitfühlend auf die Suche zu gehen nach den gemeinsamen Idealen, die verschüttet sind, allenfalls ein Stück Wiedergutmachung zu leisten und wiederzubeleben, was einmal geblüht hat. Individuell und strukturell liegen darin so grosse Chancen, dass sich die Mühe lohnt.

Garantien gibt es wie üblich keine, aber die Chance auf ein Happy End besteht, und wer weiss, um nochmals mit Asterix zu sprechen: vielleicht gibt’s sogar ein Bankett mit Wildschweinessen zum Schluss. Auf dass es gelinge.

wenn der Blick wieder offen istzoom