Leadership: Sie führen, wenn Ihnen jemand folgt

Es ist so eine Sache mit Führungsfunktionen. Meist sind sie verbunden mit einer Position, die mit formaler Macht und entsprechender Weisungsbefugnis ausgestattet ist: Sie können Ihren Mitarbeitenden befehlen, etwas zu tun. Sie können Konflikte durch Machteingriff lösen. Sie können Entscheidungen treffen auch gegen den Willen Ihrer unterstellten Mitarbeitenden. Und all dies ist immer wieder mal auch nötig und in Ordnung. Bloss geführt ist das noch lange nicht.

Die strukturelle Kombination von Führungsfunktion und Machtposition kann dazu verleiten, Führung mit Machteinsatz gleichzusetzen, und dieses Konzept stösst rasch an seine Grenzen. Ehrgeizige „High Potentials“ mit der Vorstellung „Wenn ich erst mal eine Führungsfunktion habe, kann ich endlich die richtigen Dinge durchsetzen“, legen oft harte Landungen hin, wenn sie den Plafond dieser Logik erreichen. Im Zeitalter der indirekten und verteilten Leadership kommen die entspechenden Crashs umso früher.

Leadership beruht auf einer Verschränkung: Jemand führt, und jemand folgt. Darin steckt ein faszinierendes Paradoxon: Sie führen dann gut, wenn man Ihnen folgt – Folgen aber beruht auf Freiwilligkeit. Wenn Sie das durch Ausübung von Macht erreichen wollen: viel Glück.

Sie sind als Führungskraft in der Situation, formale Macht besitzen, und sehen sich gleichzeitig damit konfrontiert, dass sie Ihnen erstaunlich wenig nützt, denn formale Macht zu nutzen, hat jedes Mal einen nicht geringen Preis: wer von der Macht getroffen wird, erlebt immer einen Moment der Verunsicherung, und mehr oder weniger bewusst tauchen Fragen auf wie: wie sicher bin ich hier? Kann ich auf Rückhalt hoffen, wenn es hart auf hart geht? Lohnt es sich, zu argumentieren? Will ich mich künftig exponieren? Usw.

Daraus lässt sich die Empfehlung ableiten, dass Führungskräfte ihre formale Macht möglichst selten benutzen sollten. Es gibt Organisationen, die Führungsfunktionen explizit nicht mit Weisungsbefugnis ausstatten. Konsequenterweise nennen sie diese Positionen oft auch nicht mehr Führungs-, sondern zum Beispiel Supportfunktionen. Ob das dann noch Führung ist, ist eine spannende Frage; die Antwort darauf ist weder offensichtlich noch trivial, und weit spannender als die Anwort finde ich die Auseinandersetzung mit der Frage.

Führen und Folgen sind wie ein Tanzpaar: sie sind eng aufeinander bezogen, drehen sich um einander und im Raum, und wenn sie harmonieren, strahlen sie eine Leichtigkeit und Schönheit aus, die die Blicke auf sich zieht und den Wunsch weckt, dabei zu sein.

Die Herausforderung für Führungskräfte lautet also: bewegen Sie sich so, dass Ihre Mitarbeitenden sich eingeladen fühlen, Ihnen zu folgen, und sich aus freien Stücken dazu entscheiden. Leadership Entwicklung auf hohem Niveau sucht diese Qualität.

Das werden Sie am ehesten erreichen, wenn Sie sich in Ihrer Menschlichkeit und Integrität zeigen, ein hohes Verantwortungsbewusstsein für das Potential Ihrer formalen Macht beweisen – die Sie in den meisten Organisationen haben werden – und diese Macht wenn, dann umsichtig gebrauchen, so dass sie gegenüber Ihren Mitarbeitenden auf einer emotionalen Basis legitimiert und akzeptiert bleibt.

Leadership heisst, die Bereitschaft wecken, zu folgen. Je besser das gelingt, umso weniger Kontrollmechanismen benötigen Sie – und das spart Zeit und Geld und macht deutlich mehr Spass. Führung auf höchstem Niveau hat eine eigene Ästhetik. „Schöne Führung“ auf der Stufe der Meisterschaft, selbst wenn harte Entscheidungen getroffen werden müssen? Ja, warum nicht?

Führen und Folgenzoom