Organisationsentwicklung: Es gibt keine Change Projekte

Was bitte soll ein Change-Projekt sein? In einem IT-Projekt dürfte IT die Hauptrolle spielen. Bei einem Bauprojekt wissen die Anwohner auch in etwa, was auf sie zukommen könnte. Geht es in Change-Projekten um Change? Das macht in etwa so viel Sinn, als würden Sie sagen, der Zweck Ihres Unternehmens sei, Profit zu machen: nämlich gar keinen. Es gibt keine Change-Projekte.

Veränderung ist nicht Inhalt und Ziel, sondern gehört zum Wesen eines Projektes. Mit Projekten möchte man Ziele erreichen, und im Allgemeinen ist man sich im Steuerungsgremium einig, dass zwischen Vorher und Nachher ein Unterschied bemerkbar sein sollte. So betrachtet könnte man auch sagen, dass es nur Change-Projekte gibt. Entweder, oder.

Veränderung dient immer einem Zweck – manchmal leider auch einem beschränkten wie der Profilierung des neuen Managers, der sie anstösst. Das ist aber riskant, denn Mitarbeitende sind nicht dumm; die Neuen werden verwirrt, die Ermüdeten zynisch, und die anderen ducken sich erst Mal, bis sich das Gröbste gelegt hat, und entwickeln eine erstaunliche Kreativität bei der Entwicklung von Subkulturen und Parallelprozessen. Diese Kreativität könnte man auch anders nutzen...

Projektteams sind oft fachlich hervorragend besetzt, und trotz Change als Pflichtfach für jeden Projektleiter wird der Veränderungsaspekt oft massiv unterschätzt. Ich empfehle, jedes Projekt, und durchaus nicht nur die grossen, mit einer hohen systematischen Aufmerksamkeit auf den Veränderungsaspekt zu führen oder es entsprechend begleiten zu lassen, sei es intern oder extern.

Change um seiner selbst willen hat etwas von Planwirtschaft: Wir starten ein Rübenprojekt, weil jetzt Rüben zu pflanzen sind. So etwas kann den skurrilen Charakter einer Tinguely-Installation annehmen, mit der ein Sportjournalist einmal eine desolate Fusballmannschaft verglichen hat: „immer in Bewegung, lustig anzusehen und bar jeder Zielstrebigkeit.“ Bloss dass es die Betroffenen dann meist nicht so lustig finden.

Allerdings gibt es auch die Ansicht, gestützt auf die Systemtheorie, dass eine Organisation von Zeit zu Zeit umgebaut werden muss, damit sie agil bleibt. Vielleicht kann man die Zyklen von Dezentralisierung und Zentralisierung in Grossunternehmen zu diesen Massnahmen zählen: langjährige Mitarbeitende sprechen von einer Frequenz von sieben Jahren – schauen Sie mal, was in Ihrer Organisation alle sieben Jahre passiert...aber selbst solche Umbauten, die als interne Fitnessübung gedacht sind, sind letztlich keine Change-Projekte, sondern eher Antiverknöcherungsprojekte. Ein bisschen Tinguely kann durchaus Gold Wert sein, vor allem im Bereich von Kreativität und Innovation.

Spitzfindig? Ich finde nicht. Entscheidend ist doch die Frage: Wozu ist das gut? Was wollen Sie erreichen? Und das sollte dem Projekt auch den Namen geben. Damit lässt sich auch in der Belegschaft mehr Bereitschaft erwarten, die dafür notwendige Veränderung mitzutragen. Denn nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung nennt „Veränderung“, wenn man sie nach ihren Hobbies fragt. Da braucht man schon einen guten Grund, ist nun mal so.

Ihre Kernaufgabe ist nicht die Veränderung – Sie müssen sie aber zwingend initiieren und gestalten können, um Ihr Geschäft langfristig erfolgreich zu führen. Es gibt keine Change-Projekte, aber in jedem Projekt steckt Change und damit ein Stück Organisationsentwicklung. Und gelungene Veränderung heisst auch: Die Leistungsfähigkeit der Organisation und der Mitarbeitenden zu erhalten; das Wohlergehen aller Beteiligten und Betroffenen zu fördern; eine genügend hohe Zahl an Ersteren zu haben; Mindful Leadership im Sinne einer umsichtigen und integren Führung des Gesamtprozesses zu zeigen – auf dass die Dinge besser werden und Sie Ihre Ziele effizient erreichen. Dafür lohnt sich auch die Mühe.

Ordnung im Chaoszoom