Leadership: Ja spinnen denn alle?!

Es gibt schon Dinge, die mich das fragen lassen. Vier Beispiele:

Beispiel eins: Da bietet ein Siebzehnjähriger an, Managern die Generation Y zu erklären – und wird gebucht. Angeblich für mehrere tausend Euro pro Referat.
Was bitte qualifiziert ihn dafür, über eine Generation zu reden? Die blosse Zugehörigkeit zu dieser Generation? Weiss er, dass vieles von dem, was er sagt, schon zu lesen war, ehe er schreiben konnte? Würde ich mit einem akuten Blinddarmdurchbruch zu meinem Nachbarn laufen, bloss weil der auch mal einen hatte?

Und da sitzen mehrere hundert Personen im Publikum und lächeln verklärt in Richtung Bühne („schau, der Süsse spricht ja wie ein Profi“...) – haben die denn keine Kinder in diesem Alter, die sie fragen könnten? Das wäre die grössere Stichprobe. Und was ist mit der Altersguillotine? Immerhin ist er ja mittlerweile zwanzig, und ein Dreizehnjähriger steht schon in den Startlöchern und macht Technologieprognosen, und der ist noch süsser. Die Castingshow-Mentalität hat das Beraterbusiness erreicht – Himmel hilf.

Beispiel zwei: In den USA strengen Konsumenten einen Prozess gegen Red Bull an, weil ihnen keine Flügel gewachsen sind – und gewinnen. Kein Scherz. Dreizehn Millionen Dollar werden an die „Geschädigten“ verteilt.
Als juristischer Laie – zugegeben – muss ich davon ausgehen, dass das Gericht die Erwartung der Konsumenten, dass ihnen reale Flügel wachsen würden, als berechtigt und angemessen beurteilt hat. Müssen Unternehmen solche Risiken zukünftig ernsthaft auf dem Radar haben? Kellogg’s weckt den Tiger in dir? Kia, the car that cares? Mars macht mobil? Calgonit, dann klappts auch mit dem Nachbarn? Mir fehlen die Worte.

Beispiel drei: als Beilage im Tagesanzeiger eine Themenzeitung mit dem Titel „Business Woman“. Ich schlage die Zeitung auf, und auf der ersten Innenseite rechts unten steht ein halbseitiges Inserat: „Straffes Bindegewebe und straffe Haut kommt von innen“, und beworben wird ein entsprechendes kosmetisches anti-aging Produkt. Auch das kein Scherz.
Wenn das der Stand der Dinge ist, dann bin ich dafür, dass das ehrlicherweise in die Anforderungsprofile von Stellenausschreibungen einfliesst: „Teamfähigkeit, Flexibilität, Belastbarkeit, straffes Bindegewebe.“ Dann wäre alles auf dem Tisch, jede/r wüsste woran man/frau ist, und die Karriere von Oswald Grübel wäre gänzlich anders verlaufen...Jungs: es bleibt viel zu tun.

Beispiel vier: Da sagt ein Kollege zu mir: „Glaub ja nicht, dass dich in diesem Business jemand wegen deiner Qualifikationen engagiert.“ Der Markt – egal welcher – wird durch Kommunikation bestimmt, und weil der Fokus auf Verpackung und Entertainment liegt, siegt die Verpackung über die Substanz. Wer auffällt, hat gewonnen. Und dass der Markt die faulen Eier dann schon aussortiert, ist erst mal eine Behauptung, und ändert auch nichts daran, dass ein Haufen hervorragender Leute gar nicht erst mitspielen darf. Also ehrlich, ich erlebe meine Kunden da intelligenter. Aber vielleicht ist das ja auch reine Selbsttäuschung, und ich kann gar nichts und habe bloss eine schöne blaue Website...oh Gott.

An immer mehr Stellen wird immer häufiger ein Grad an Absurdität erreicht, der kaum noch zu fassen ist. Ja spinnen denn alle? Ich vermute, dass sich viel mehr Menschen als wir glauben, und viel öfter als wir glauben, diese Frage stellen.

Und da Prognosen nun mal so in Mode sind, obwohl jeder (aber offenbar nicht jedes Kind) weiss, dass Prognosen für die Katz sind – hier ist meine, na klar: es dauert nicht mehr lange, bis eine Zeit der schnörkellosen Klarheit anbricht, eine Zeit von wahrer Leadership, eine Zeit der Authentizität und des unmittelbar Einleuchtenden. Ich bin überzeugt, dass es nicht nur die Generation Y satt hat, von Verpackungen verführt zu werden. Sie getraut sich nur, lauter zu sagen, was alle schon lange denken.

Und so werden diese Qualitäten – Gott sei Dank – zu einem Marktfaktor werden und damit nicht mehr zu ignorieren. Wer da schon in den Startblöcken steht, hat einen Vorteil. Und dass das Spass machen kann, dafür gibt es immer wieder Beispiele: thefuntheory.com (die Treppe gefällt mir am besten).

da staunst duzoom