John Lechleiter und die Reihenfolge

Zu lesen im Tagesanzeiger vom 23. Juni 2014: John Lechleiter, Konzernchef des Pharmakonzerns Eli Lilly, sagt zum Fortschritt in der Medizin und Pharmazie: „Zunächst muss man ein Ziel im Körper finden, das ein Medikament blockieren oder behandeln kann...“ Nach der Entdeckung eines solchen Ziels würde dann mit klinischen Studien begonnen, was heute viel schneller möglich sei als früher.

Interessante Reihenfolge.

Da läuft vor meinem inneren Auge ein absurder Film ab, beginnend mit einer Szene aus dem Forscheralltag, wo in der Kaffeepause ein Wissenschaftler (John Cleese) mit vollem Mund und mit einem Reagenzglas fuchtelnd seine vollkommen steifen Kollegen fragt: „Was zum Teufel könnten wir im Körper denn noch blockieren?“ So ein Satz könnte genauso gut aus der Sitzung einer radikalisierten Greenpeace-Gruppe auf Arbeitssuche stammen: wo könnten wir noch was anrichten – pardon, ausrichten?

Wenn so eine Stelle im Körper mal gefunden ist, macht man sich in klinischen Studien auf die Suche nach einem Stoff, der mit dieser gefundenen Stelle irgendetwas macht, selbst wenn man nicht ganz versteht, warum er das macht und was er denn sonst noch so macht. (entscheiden Sie selber, ob Sie wissen möchten, bei wie vielen bestehenden Medikamenten der genaue Wirkmechanismus unbekannt ist).

Zu guter Letzt, wenn ein solcher Stoff gefunden ist, braucht man noch eine Krankheit, gegen die er hilft – notfalls halt eine neue. Kein Wunder, sind die Einflussversuche riesig, wenn die grossen diagnostischen Manuale – ICD 10 als weltweiter Medizinstandard, DSM-V in Amerika im Bereich der psychiatrischen Diagnosen – überarbeitet werden.

Man stelle sich die Analogie fürs Management vor: Erst mal schauen wir, was es so gibt, was wir grundsätzlich entscheiden könnten oder womit wir uns sonst irgendwie beschäftigen könnten. Dann machen wir uns auf, herauszufinden, wie wir das hinkriegen – uns damit beschäftigen und entscheiden - , und wenn das geschafft ist, überlegen wir uns, welches Problem wir gerade gelöst haben. Eigentümliche Ausprägung von Leadership...

Es soll schon vorgekommen sein, dass Mitarbeitende ihr Management exakt so beschrieben haben... dem bloss mit Ironie, Satire oder Zynismus zu begegnen greift natürlich zu kurz, denn die Aufgaben auf den höchsten Führungsstufen sind dermassen komplex, die wirtschaftlichen, politischen, ethischen und moralischen Zielkonflikte so anspruchsvoll, der Druck auf quartalsweise Perfomance so immens, dass die Gefahr gross ist, die Reihenfolge durcheinander zu bringen.

Natürlich kein Grund, nicht auf sie zu achten. „Haben wir die Reihenfolge im Griff?“ könnte für Führungsteams tatsächlich eine gute Kontrollfrage sein im Hinblick auf Governance oder bei der Rückbesinnung auf die sinnhafte Kernidee eines Unternehmens. Oder Sie legen sich einen externen Sparringpartner zu, der Ihnen hilft, die blinden Flecken auszuleuchten. Was tun Sie wozu genau? Was stellen Sie an die erste Stelle? Was an die zweite? Und bleibt das immer gleich?

Es könnte sein, dass Unternehmen, die die gute Reihenfolge nicht beachten, künftig vermehrt unter Druck geraten. Haben Sie die Reihenfolge im Griff?

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